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Energiekrise, Inflation, Corona. Wenn das Geld nicht mehr reicht. Ein Besuch in der DRK-Schuldnerberatung in Bonn Bad Godesberg

Bonn, 06.12.2022. Steigende Preise und höhere Lebenshaltungskosten stürzen immer mehr Menschen in Armut. Angesichts massiv steigender Energie- und Lebenshaltungskosten registrieren viele Beratungsstellen eine wachsende Nachfrage. In Bad Godesberg berät das Deutsche Rote Kreuz Menschen in Schulden- und Insolvenzfragen. Susanne Eisenblätter vom DRK Kreisverband Bonn e.V. ist da, wenn das Konto gesperrt ist, Räumungsklagen und Pfändungen drohen, Strom oder Gas abgestellt werden – kostenlos und vertraulich.

Frau Eisenblätter, die Zahl der Privatinsolvenzen ist bereits 2021 durch Corona sprunghaft angestiegen. Nun kommen auch noch steigende Verbraucher- und Energiepreise dazu. Spüren Sie das bei sich in der Schuldnerberatung?

Ja, diese Sorgen treiben die Menschen um! Wir haben häufig Personen in der Beratung, wo jede Nebenkostenabrechnung zum Problem werden kann. Viele der Menschen wohnen dann noch in alten, schlecht isolierten Wohnungen, in denen die Energiekosten ohnehin hoch sind. Genau beziffern lässt sich das aber erst im Frühjahr, wenn die Abrechnungen kommen. Die Krise wird sich hier zeitverzögert zeigen.

Sind heute Menschen von Schulden betroffen, die Sie früher eher nicht zu Gesicht bekommen haben?

Besonders haben wir das schon in der Corona-Krise 2021 bei Solo-Selbstständigen gesehen. Da sind sehr viele in die Krise gerutscht. Zum Teil konnte das durch die staatlichen Corona-Hilfen aufgefangen werden. Aber dann kommt ja irgendwann der Punkt, wo auch die letzten Reserven aufgebraucht sind. In die Beratung kommen nun zusätzlich auch Menschen aus dem Mittelstand, die früher nicht unsere direkte Zielgruppe waren. Auch das war ein Effekt durch die Corona-Pandemie. Manche von ihnen konnten sich noch gut mit einem Nebenjob finanzieren, der nun auch weggebrochen ist. Das sind harte Belastungen für viele Menschen! Und nun sorgen sich viele auch noch um die Energiekrise.

Aus was für Branchen und Berufen kommen die Hilfesuchenden?

Von Alleinstehenden, Rentnern, Solo-Selbstständigen bis hin zu Familien und Menschen ohne Ausbildung haben wir hier den Querschnitt der Bevölkerung. Da spielen dann ganz unterschiedliche Aspekte in der Beratung eine Rolle: Häufig geht es um Kontopfändungen und Pfändung von Renten, Stromsperren und hohe Unterhaltsrückstände. Zudem können häufig die Raten von Kreditverträgen nicht mehr gezahlt werden.

Was ist denn mit den Corona-Hilfen und dem Entlastungspaket der Bundesregierung: Hilft das nicht, über die Krise zu kommen?

Doch, aber nur zum Teil. Die meisten Klienten sehen die Entlastungspakete und Corona-Hilfen als wichtige und notwendige Unterstützung an, ja! Klar ist aber auch: Letztlich reichen diese Hilfen nicht alleine aus, um aus der Schuldenfalle rauszukommen.

Wie gehen Sie vor, wenn Menschen mit Schuldenproblemen zu Ihnen kommen?

Das Ziel muss es immer sein, Eingaben und Ausgaben im Lot zu haben, um dauerhaft aus der Krise herauszukommen. Darum verschaffen wir uns immer erst einen Überblick. Der Klassiker ist ja, wenn jemand mit einer ganzen Schachtel ungeöffneter Briefe in die Beratung kommt. Für uns heißt das dann: Jeder Brief wird geöffnet. Einige Schuldner schaffen es einfach nicht mehr, den Überblick zu behalten. Wir schauen dann gemeinsam: Wo können noch weitere Schulden sein? Der nächste Schritt ist dann die Budget- und Haushaltsplanung. Wir schauen also, wofür das Geld ausgegeben wird. Viele haben überhaupt keinen genauen Überblick über ihre Finanzen. Zum Teil werden da Raten gezahlt, und die Person weiß gar nicht mehr genau, wofür eigentlich. Einige zahlen für zu viele oder zu teure Versicherungen. Da raten wir zum Beispiel, einen Versicherungs-Check der Verbraucherzentrale durchführen zu lassen.

Was ist der häufigste Fehler, der die Menschen in die Bredouille treibt?

Sehr häufig kommt es vor, dass schlicht der Dispokredit immer weiter ausgereizt wird und dann umgeschuldet wird. Dabei unterstützen die Banken mitunter gerne. Dann kommt es zu einer schleichenden Verschuldung. Angebote der Sorte „heute kaufen, später zahlen“ sind ja auch verlockend und tragen dazu bei, den Überblick über die tatsächlichen Schulden zu verlieren. Das kommt auch schon bei jungen Menschen vor: Wer zum Beispiel ein Smartphone für einen Euro kauft und nicht die monatlichen Kosten dafür im Blick hat, kann schnell in die Verschuldung geraten.

Die meisten Menschen kommen vermutlich zu spät zu Ihnen, oder?

Ja, die meisten melden sich zu spät. Es ist ganz selten, dass jemand schon im frühen Stadium feststellt, dass etwas im Finanziellen schiefläuft und deshalb die Beratung aufsucht.

Ihr wichtigster Beratungstipp – abgesehen von: mehr einnehmen und weniger ausgeben?

Zum einen: Je früher man Hilfe sucht, desto besser. Zum anderen: Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Wenn man merkt, dass etwas mit den Finanzen schief läuft dann ist die Verdrängungstendenz ja immer hoch. Aber gerade dann sollte man schonungslos ehrlich sein. Erfreulicherweise gibt es ja mittlerweile auch hilfreiche Apps und Programme, die bei der Finanzplanung unterstützen. Natürlich ist Finanzplanung mühsam. Aber sie ist notwendig!

Gibt es denn genügend Beratungsstellen?

Allgemein kann man sagen: Der Bedarf ist sehr groß und das Angebot noch ausbaufähig.

Alleine im letzten Jahr führten wir über 90 Erstgespräche. Und der Bedarf wird in Zukunft sicher wachsen! In die Beratung kommen ja schließlich Menschen, die sich keinen Anwalt oder Steuerberater mehr leisten können. Verbraucherinsolvenzanträge (=90 Prozent unserer Anträge) können etwa nur mit Bescheinigung von Schuldnerberatungsstellen oder Rechtsanwälten gestellt werden.

Ein Umstand der klarmacht, wie wichtig dieses Angebot der Schuldnerberatung vom DRK Kreisverband Bonn e.V. ist. Frau Eisenblätter, vielen Dank für das Gespräch!